Dem Menschen zugewandt – auch und gerade online. Eine Buch-Rezension

„Online moderieren & virtuell gestalten. Der digitale Durchbruch für Ihren Erfolg!“ ist ein Sachbuch von Petra Motte, erschienen 2021 bei Springer. In diesem Buch geht es um das Moderieren von Besprechungen und das Gestalten von Trainings im virtuellen Raum.

 

Bis vor einigen Jahren habe ich in Büchern die Seiten mit dem Vorwort überblättert, um schnell zum Kern zu kommen. Das tue ich seit geraumer Zeit nicht mehr. Und natürlich habe ich auch das Vorwort von Petra Motte gelesen, was hier „Ein Wort zum Anfang“ heißt. Es ist ein sehr persönliches Vorwort, und gerade die Anekdote, in der die Autorin erzählt, welch gigantischen Aufwand sie für die Vorbereitung ihres ersten englischsprachigen Online-Trainings betrieben hat, hat mich sehr angesprochen. Mir ging es mit meinem ersten Online-Seminar ähnlich!

 

Was drinsteckt im Buch

 

Die Autorin befasst sich ausführlich mit der organisatorischen Vorbereitung virtueller Meetings und stellt die Notwendigkeit eines klaren Besprechungsziels heraus. Sie schlägt vor, die Agenda im Vorfeld der Besprechung zu erarbeiten, ein Vorgehen, das in Unternehmen durchaus praktiziert wird. Die – andere, stärker gruppendynamisch orientierte – Verfahrensweise („Moderationszyklus“), bei der die Themen zu Beginn des Meetings von den Anwesenden gesammelt und danach priorisiert werden, streift Petra Motte ganz kurz beim Thema Zeitmanagement weiter hinten im Buch.

 

Sie geht auf die persönliche Vorbereitung des Moderators / der Moderatorin ein, betrachtet hierbei unter anderem die Wirkung von Körpersprache und Kleidung, von Mimik und Gestik, und sie befasst sich mit der persönlichen Einstellung des Moderierenden und den Umgang mit Lampenfieber.

 

Petra Motte gibt technische Hinweise für den Einsatz von Kamera, Mikro und Kopfhörern. Sie ermutigt dazu, als Moderator*in einen zweiten Bildschirm einzusetzen, geht auf Sprecher-Hintergründe und Greenscreen ein, und sie schreibt über Pointer und Zeigegeräte - bis hin zu – wie ich finde - extrem professionellen Geräten wie einem Mischpult.

 

Die Autorin stellt Unterschiede der Kommunikation und des sozialen Klimas in Online- und Präsenzveranstaltungen heraus und befasst sich mit dem Ankommen und Miteinander-Warmwerden im virtuellen Raum. Sie gibt Tipps für die Pausengestaltung, für Stimmungsbilder, für Gruppenarbeit, und sie zeigt, wie man die Aufmerksamkeit der Teilnehmenden – auch mit analogem (!) Moderationsmaterial - aufrechterhalten kann.

 

Was den Umgang mit unterschiedlichen Teilnehmenden und ihren Charakteren betrifft, so verdeutlicht Petra Motte, dass es Aufgabe der Moderation ist, das Verstehen zwischen diesen Menschen herbeizuführen – sowohl durch verbale Interaktion als auch durch eine entsprechende Aufbereitung der eigenen Präsentation, die unterschiedliche Persönlichkeitstypen anspricht.

 

Das Buch enthält Tipps für den Umgang mit schwierigen Teilnehmenden (z.B. Vielredner, träge Gruppen), mit persönlichen Angriffen gegen den/die Moderator*in, mit Konflikten zwischen Teilnehmenden, mit technischen Pannen u.v.m. Außerdem stellt die Autorin die Vorteile einer Co-Moderation dar und unterbreitet Vorschläge für die Aufgabenverteilung zwischen den Co-Moderator*innen.

 

In der virtuellen Welt werden Kleiderordnung und Umgangston etwas lockerer. Letzteren Aspekt greift die Autorin im Kapitel „Tipps und Tricks aus der digitalen Praxis“ auf, indem sie das virtuelle „Du“ bei der Ansprache des Lesers einsetzt. Das habe ich als etwas befremdlich empfunden, da der Leser/die Leserin ansonsten im Buch gesiezt wird. Gleichzeitig handelt es sich inhaltlich um eine gut strukturierte Zusammenstellung von Tipps - aus der Praxis für die Praxis.

 

Petra Motte betont die Wichtigkeit des Feedbacks für Moderierende. Das bezieht sich sowohl auf die Fremd- als auch auf die Selbsteinschätzung. Feedback von Teilnehmenden einzuholen und dabei auch gelegentliche Kritik einzustecken, erfordert durchaus Mut. Dieser Mut wird im Regelfall belohnt und Feedback trägt ganz erheblich dazu bei, die Moderationskompetenz zu entwickeln. Ein paar Dutzend Seiten später knüpft sie mit dem Kapitel „Soziale Netzwerke“ an das Thema Feedback an, indem sie die Notwendigkeit und die Chancen des Vernetzens mit Gleichgesinnten betont (Wissenstransfer, emotionale Unterstützung).

 

Ausführungen zu den Themen Online-Bewerbung und „Remote Leadership – virtuelles Führen aus der Ferne“ schließen sich an und erweitern des Diskursbereiches des Buches.

 

Die Kapitel „Virtuelle Events“ und „Hybride Events“ sind sehr kurz, beide Themen werden nur gestreift. An ihrer Stelle wünschte ich mir ein Kapitel, welches den Bogen schlägt von offline-, über online-, zu hybriden Meetings und das somit deutlich näher an das Kernthema des Buches rückt: Moderieren von Besprechungen.

 

Das Kapitel „Video Dating“ fällt für meinen Geschmack aus dem Rahmen des ansonsten stark auf das geschäftliche Umfeld fokussierten Buches.

 

Die Vorzüge dieses Buches

 

Ja, es ist ein Sachbuch. Und doch ist es sehr persönlich geschrieben – im besten Sinne des Wortes. Die Autorin lässt uns als Lesende von ihren Erfahrungen profitieren. Man spürt, dass Petra Motte sehr empathisch ist und als Trainerin und Moderatorin einen wertschätzenden Umgang mit ihren Teilnehmenden pflegt. Die besondere Stärke des Buches liegt daher folgerichtig in der Betrachtung der zwischenmenschlichen (Online-) Kommunikation. Eine weitere Stärke sind Besonderheiten der Moderation virtueller Treffen im internationalen und interkulturellen Kontext. Gerade das Kapitel „Mit nationalen und internationalen Gruppen arbeiten“ und die darin aufgeführten Hintergründe zu internationalen Kulturunterschieden waren für mich persönlich extrem aufschlussreich.

 

Wenn ich in diesem Buch etwas vermisse, dann ist das die intensive Befassung mit den vielfältigen Möglichkeiten der Online-Kollaboration. Hier beschränkt sich die Autorin auf die Nutzung virtueller Gruppenräume und des virtuellen Whiteboards, beides Funktionen, die in den Videokonferenztools in der Regel enthalten sind. - Eine mögliche Erklärung: Im Abschnitt „Digital abstimmen“ verweist Petra Motte auf den Datenschutz, der einen Einsatz externer Online-Tools im Unternehmen erschwert oder verhindert.

 

Fazit

 

Das Buch ist logisch aufgebaut, klar strukturiert und übersichtlich gestaltet. Es enthält eine Vielzahl von Abbildungen, und es liest sich gut. Inhaltlich konzentriert es sich auf die Besonderheiten des Moderierens von Online-Besprechungen im geschäftlichen Umfeld. Wem ich das Buch empfehlen würde? Moderator*innen von Online-Meetings, die bereits erste Erfahrungen im virtuellen Raum und bei der klassischen Moderation gesammelt haben.