„Activity“ hilft

„Activity“ hilft. – Wer es hin und wieder spielt, trainiert seine kommunikativen Kompetenzen.

 

Beim Brettspiel „Activity“ muss man einen Begriff umschreiben, pantomimisch darstellen oder zeichnen, und zwar so, dass ihn ein anderer errät. Kompliziert wird es, wenn die Regeln verschärft werden: Wenn das verbale Umschreiben verboten oder - wie nachfolgend beschrieben - unmöglich ist und wenn es nicht um konkrete, sondern um abstrakte Begriffe geht: Wie zeichne ich „Datenschutzbelehrung“, wie tanze ich „Einwohnermeldeamt“?

 

Im kleinen Raum vor mir sitzen 16 Leute, die kein Deutsch können und sich dennoch in Deutschland zurechtfinden müssen. Daher nehmen sie an diesem Kurs teil. Damit sie daran teilnehmen dürfen, füllen sie Formulare aus und unterschreiben eine „Datenschutzbelehrung“. Die Menschen kommen aus zehn verschiedenen Ländern. Sie haben zig verschiedene Muttersprachen. Und es gibt keine einzige Sprache, die alle verstehen. Heißt: Sie können sich auch untereinander nicht verständigen.

 

Immer wieder stellen meine Schüler*innen interessante Fragen – beispielsweise, warum bei uns ein Busbahnhof Busbahnhof heißt, obwohl dort nur Busse und keine Bahnen verkehren. Warum eigentlich? - Heute will einer der Anwesenden wissen, was ein „Schnitzel“ ist, das hat er auf einer Speisekarte gelesen. Also versuche ich „Schnitzel“ für alle sechzehn zu „übersetzen“. Das tue ich pantomimisch, zeichnerisch und lautmalerisch und ergänze das Ganze um gesprochene deutsche Erklärungen. Letztere haben allerdings nur den Zweck, dass meine Schüler*innen in die Klangwelt der  deutschen Sprache regelrecht eintauchen, ein Verstehen in nennenswertem Maße ist damit nicht verbunden. Bei meinen Erklärungen werde ich Schritt für Schritt präziser:

  1. Ein Schnitzel ist etwas zum Essen. Das geht pantomimisch ganz gut, indem ich die rechte Hand mit einem imaginären Esswerkzeug zum Mund führe und dabei kaue und – lautlos - schmatze. Die Resonanz meines Publikums ist positiv: Der Gesichtsausdruck aller Anwesenden signalisiert mir ein deutliches „Aha!“.
  2. Ein Schnitzel ist Fleisch, und es ist meistens vom Schwein. Ich zeichne – stümperhaft - ein Schwein und ahme das Grunz-Geräusch nach, das Schweine meiner Erinnerung nach von sich geben. Das scheinen zumindest einige der Anwesenden verstanden zu haben. Nun bin ich Perfektionistin. Daher will ich der Vollständigkeit halber erklären, dass es auch Schnitzel vom Huhn (also Hühnerschnitzel) geben kann. Die Zeichnung bekomme ich einigermaßen hin, lautmalerisch unterstütze ich mein Hühner-Bild noch durch ein „Kikeriki“. Erst im Nachhinein wird mir bewusst, dass deutsche Lautmalereien in anderen Sprachen selten verstanden werden, da jede Sprache ihre eigenen hat. Und „Kikeriki“ heißt im Russischen „Kukareku“ und im Türkischen „Ü-ürü-üüü". Noch schwieriger wird es für mich beim Putenschnitzel: Ich weiß nicht, wie eine Pute aussieht - also erkennen würde ich eine Pute schon, wenn ich sie sehe - kann sie aber nicht zeichnen und beherrsche auch die typischen Putengeräusche nicht. Somit hat meine Perfektion bereits das Ende ihrer Fahnenstange erreicht, ich hisse insgeheim die weiße Fahne.
  3. Dennoch gebe ich noch nicht auf, meine Erklärungsversuche erreichen ein neues Level: Das Fleisch wird zuerst in verquirltem Ei gewälzt (Sowohl zeichnerisch als auch pantomimisch geht es ganz gut, ein Ei darzustellen, insbesondere wenn man das Aufschlagen des Eis als Luftnummer vorführt) und dann in Paniermehl gewälzt. (Jetzt wird es wirklich kompliziert! Ich scheitere daran zu erklären, was Paniermehl ist.)
  4. Schließlich wird das Fleisch gebraten: Ich zeichne Pfanne und Herd, stelle die Pfanne pantomimisch auf selbigen und produziere ein Zisch-Geräusch, als ich das Schnitzel in die heiße Pfanne lege).

Ich bezweifle, dass meine Schüler*innen die Schritte 2 und 3 verstanden haben. Aber vielleicht ist das auch gar nicht wichtig. Denn: Ein Schnitzel ist etwas Gebratenes, was man essen kann. Genügt das nicht fürs erste?

 

„Activity“ hilft. – Manchmal. Vielleicht. Ein bisschen.