Die Macht der Worte und die Ohnmacht der Rüschenbluse. - Oder war es umgekehrt?

Auch Weiterbildnerinnen bilden sich weiter. - In diesem Jahr beeindruckten mich zwei Weiterbildungen ganz besonders, die sich dem Umgang mit gewaltbereiten Mit-Menschen widmeten. Dabei steht „Gewalt“ nicht vordergründig für physische Gewalt, sondern hat ganz viel mit verbalen Angriffen und Kommunikation im Allgemeinen zu tun.

 

Ich nahm an einem Deeskalationstraining und an einem WenDo-Training teil. Während ersteres jedermann und jederfrau offenstand, spricht WenDo ausschließlich Frauen und Mädchen an. Bei WenDo geht es zunächst um Techniken der Selbstbehauptung und erst in zweiter Linie um Techniken zur Selbstverteidigung.

 

Als Trainerin betrachtete ich beide Weiterbildungen unter der Fragestellung: Wie kann frau im Berufsleben auf anmaßendes Verhalten von Kollegen und Kunden reagieren? Und: Wie kann frau diesem Verhalten vorbeugen? – Ein paar Ideen stelle ich nachfolgend vor.

 

Schlagfertigkeit kann man lernen.

 

Auf verbale Attacken zu reagieren, ist nicht einfach. Denn wir Frauen wollen nicht „zickig“ erscheinen.

 

Es gibt Strategien, die helfen können, solche Angriffe zu erwidern – wie zum Beispiel diese: Sich eine Auszeit verschaffen („Sehr gute Frage! Können Sie mir die Frage morgen noch einmal stellen?“), den Angreifer mit einem Nonsens-Satz aus dem Konzept bringen („Ja ja, und auf meinem Kühlschrank tanzen die Frösche Tango mit Hans Albers.“) oder sogar dem Angreifer zustimmen – scheinbar („Sie haben recht, ich kann nicht logisch denken. Deswegen habe ich Mathematik studiert.“).

 

Schlagfertigkeit kann man üben, muss man üben. Jeden Tag. Mit einem Kollegen, einer Kollegin, mit einem Freund, einer Freundin oder in der Familie.

 

Kleidung schützt – oder macht angreifbar.

 

Dass Kleidung schützt, wird besonders bei Uniformen deutlich – den echten Uniformen von Polizisten und den Beinahe-Uniformen von Anwälten und Ärzten. Mit der Uniform ist Autorität verbunden – von Amts wegen oder fachlich. Das schüchtert uns Nicht-Uniformierte mehr oder weniger ein und hält uns auf Abstand – im wörtlichen und im übertragenen Sinne.

 

Eine Seminarteilnehmerin empörte sich einmal, dass ihr bei Projektbesprechungen regelmäßig die Aufgaben des Tischdeckens und Kaffeekochens zufielen, obwohl sie den anderen – männlichen – Teilnehmern an der Besprechung hierarchisch gleichgestellt war. Die Frau bevorzugte auch im Berufsalltag sehr rüschige und wolkige Kleidung und entsprach dadurch optisch einem tradierten Frauenbild – bestimmt einer der Gründe, dass ihr die genannten Tätigkeiten zufielen.

 

Jede/r kann tragen, was er/sie will! Aber alles, was wir tragen, hat eine Wirkung auf andere Menschen. Derer sollten wir uns bewusst sein.

 

Stimme ist eine Waffe.

 

Als Trainerin nehme ich bei Teilnehmerinnen meiner Kommunikationstrainings häufig eine Hemmung wahr, jemanden anzuschreien oder einfach nur laut zu werden. Diese Scheu ist typbedingt, anerzogen oder fußt auf gesellschaftlichen Konventionen. Wir üben dann im Training, diese Hemmung zu überwinden – damit Stimme auch wieder eine Schutzfunktion erlangt.

 

Als Teilnehmerin des Deeskalationstrainings überwältigte mich die beinahe schon unheimliche Macht der Stimme: Der Trainer lud mich zu einem Rollenspiel ein, bei dem ich so tun sollte, als würde ich auf der Straße hinter ihm herlaufen, ihn verfolgen. Plötzlich und völlig unerwartet blieb er stehen, drehte sich um, machte sogar noch einen Schritt auf mich zu, und dann entlud sich seine ganze Kraft in einem explosionsartig ausgestoßenen „Was willst Du?“. Die Stimme war zwar laut, aber nicht so laut, wie man vielleicht denkt. Mich traf vielmehr ein Lufthauch, der mir in Kombination mit dem Überraschungsmoment eine Gänsehaut bereitete. - Und im WenDo-Kurs spürte ich die Macht meiner eigenen Stimme an der Reaktion der Frau, die in einem Rollenspiel meinen Gegner gab!

 

Gehe vorwärts, nie zurück!

 

Bei Distanzverletzungen im beruflichen Umfeld durch Kollegen oder Kunden (Unhöflichkeiten, Kränkungen, Anzüglichkeiten), befinden sich Frauen im Zwiespalt zwischen Freundlichkeit und Ablehnung. Daher ist es nötig, mit geeigneten (!) Mitteln, aber dennoch unmissverständlich Grenzen aufzuzeigen und entschlossen aufzutreten. Das bedeutet: Nicht nichts-tun, nicht weglaufen, sondern aktiv werden.

 

Manchmal senden wir allerdings Signale aus, die missverständlich sind (wenn das gesprochene Wort und die non-verbale „Begleitmusik“ einander widersprechen). Das ist immer dann der Fall, wenn wir nicht genau wissen, was wir wollen, wenn wir unsicher sind, wenn wir Angst haben, gegen die „Etikette“ zu verstoßen.

 

Voraussetzung, für unmissverständliche Signale ist die innere Klarheit: Was will ich? Die Klarheit bezüglich der eigenen Bedürfnisse führt neben Klarheit der Sprache („Ich möchte nicht, dass Sie mich so anstarren!“) auch zu klarer, selbstbewusster Körpersprache – gegebenenfalls noch verstärkt durch einem Schritt auf den Angesprochenen zu.

 

Fazit

 

Beide Weiterbildungen lieferten Input für meine Arbeit als Kommunikationstrainerin und gingen mit wertvoller Selbsterfahrung einher. Dafür herzlichen Dank an Kathrin Bein (WenDo-Trainerin) und Thomas Lohan (Gewaltpräventions-Trainer)!