Alle Jahre wieder: Schwierigkeiten mit der Jahresendkommunikation

Nach fünfzig handgeschriebenen Karten und dreißig E-Mails passierte es mir: Ich drückte auf „Senden“ und weg war sie, die unpersönliche Wehnachts-E-Mail! Keine Anrede, keine Wünsche, keine Grußformel. Sie bestand nur aus der E-Mail-Adresse des Empfängers, einem Betreff „Weihnachts- und Neujahrsgruß“ und einem eingefügten Bild. Na ja, wenigstens letzteres war selbst kreiert.

 

Nicht schlimm? – Ich finde doch!

 

Uns alle erreichen alljährlich in der Vorweihnachtszeit Briefe, Karten und E-Mails mit guten Wünschen zu Weihnachten und / oder zum neuen Jahr. Mittlerweile kommen gerade im Geschäftsleben viele Weihnachts- und Neujahrsgrüße als Serien-E-Mails daher. Das scheint praktisch zu sein. Meist wird den „sehr geehrten Geschäftspartnern“ für die „gute Zusammenarbeit“ gedankt. Diese E-Mails wenden sich an einen riesigen Verteiler. Daher wirken sie oft etwas unpersönlich. Die Freude beim Empfang ist entsprechend verhalten, und in Erinnerung bleibt die Nachricht nur, wenn sie sich in Form oder Inhalt deutlich von den vielen anderen abhebt.

 

Aber auch der Verteiler an sich hat seine Tücken. Zwei Beispiele:

 

Der Sender einer Weihnachts-E-Mail dankte einer meiner Bekannten - und 10, 100 oder 1000 anderen verborgenen Empfängern - für die gute Geschäftsbeziehung im vergangenen Jahr. Plötzlich wurde sie gesiezt, obwohl sie sich mit dem Absender seit Jahren duzt und ihr Verhältnis eher als „freundschaftlich“ beschrieben hätte. - Ein Fauxpas des Senders oder eine Fehlinterpretation der Beziehung durch die Empfängerin?

 

Bei einer der Serien-E-Mails mit Neujahrswünschen, die ich erhielt, war es umgekehrt: Als ich den Namen der Absenderin in meinem Posteingang erblickte, freute ich mich. Beim Lesen der Anrede „Liebe Freunde“ war ich verwundert. (Die Senderin hatte ich ein einziges Mal in meinem Leben getroffen - rein geschäftlich.) Und das eingefügte Foto empfand ich als zu privat für jemanden, der kein Freund ist.

 

Aufmerksamkeit erregen auf den Empfänger bezogene, handgeschriebene Weihnachts- und Neujahrswünsche mit schöner Karte - nach Möglichkeit keine weihnachtlichen Allerweltsmotive wie Tannengrün, Christbaumkugel und Kerze im traditionellen Arrangement. Selbst bekennende „Digitalisten“ freuen sich gelegentlich, eine solche Karte in Händen zu halten.

 

Ich selbst hebe besonders gelungene, originelle, an mich gerichtete Karten auf. Sie klemmen dann einige Wochen am Flurspiegel oder hängen sogar jahrelang bis zum völligen Zerfall an meiner Korkpinnwand in der Küche, also dort, wo ich sie täglich sehe. (Nein, weder Spiegel noch Pinnwand sind raumhoch, es schaffen aber nur ganz wenige Karten dorthin.)

 

Weihnachts- und Neujahrsgrüße per E-Mail sind natürlich möglich. (Und ein schöne - digitale - Karte wertet das Ganze auf.) Da die Formulierungsmöglichkeiten „Frohe Weihnachten“ und ein „Gesundes neues Jahr“ zu wünschen, sich bei der Vielzahl der Empfänger irgendwann erschöpft haben, muss man schon ein wenig kreativ sein, um sich auch inhaltlich von anderen Nachrichten abzuheben.

 

Man kann den Wünschen eine individuelle Note verleihen, indem man sich auf den Tag bezieht, an dem man die Karte schreibt. Mich erreichte kurz vor Weihnachten eine E-Mail - es war eine Serien-E-Mail, die mit den Worten begann: "Heute ist der kürzeste Tag des Jahres..." Der Einstieg ließ mich schon mal aufhorchen. Viele weitere zeitliche Bezüge sind vorstellbar und bringen Abwechslung in die jährlich wiederkehrenden Wünsche.

 

Vor kurzem erhielt ich einen lesenswerten Weihnachtsbrief – bestehend aus einem an alle Empfänger gerichteten universellen, gedruckten Teil und einigen persönlichen, handgeschriebenen Sätzen. Sogar der universelle Teil war insofern bemerkenswert, da er einen kurzen persönlichen Jahresrückblick mit einer stichwortartigen Aufzählung besonderer Ereignisse im Leben des Senders enthielt.

 

Ich versuche (und dies gelingt mir nicht immer), einen persönlichen Bezug zu finden – so konkret wie möglich: Sei es, dass ich meiner Freude über einen gemeinsamen Kinobesuch – vergangen oder bevorstehend - Ausdruck verleihe oder auf die Arbeit an einem gemeinsamen Projekt anspiele.

 

Egal, welche der Varianten man wählt: Sich abheben von der Masse macht Arbeit! Und es bedeutet auch, den Empfängerkreis zu begrenzen. Manchmal hilft es, sich darauf zu besinnen, wem man wohl vor der Einführung der E-Mail ganz konventionell einen Brief oder eine Karte geschrieben hätte.